Wer ist eigentlich dieser „Zero Waste“?

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Ungefähr letztes Jahr um diese Zeit habe ich mich mit einer Linkliste in mein Praktikum verabschiedet. Einer der Links führt zu dem Blog von Lauren Singer, die seit einigen Jahren mehr oder weniger komplett müllfrei lebt und deren Blog ich wahnsinnig inspirierend fand. Zero Waste nennt sich das ganze und im Internet findet man jede Menge Quellen, was damit eigentlich gemeint ist und wie man das Ganze umsetzt. O-Ton vor einem Jahr:

Vor kurzem bin ich auf diesen Blog gestoßen und war total beeindruckt, dass Lauren Singer es tatsächlich schafft, komplett „Müllfrei“ zu leben. Das wir alle viel zu viel Müll produzieren ist denke ich jedem von uns klar, aber wie man das Ganze eindämmen kann, damit hatte ich mich jetzt noch nicht so intensiv beschäftigt. Ich hoffe, dass ich auf Dauer einiges von dem, was dort vorgestellt wird umsetzen kann.

Seit dem hat sich in Bezug auf mein Müllverbrauch einiges geändert. Das Thema hat mich einfach nicht losgelassen und so begann ich, langsam und im Rahmen meiner Möglichkeiten sensibler dafür zu werden was ich überhaupt alles für Müll produziere und in welchen Bereichen sich etwas einsparen lässt. Angefangen hat es mit simplen Dingen. Den Jutebeutel zum Einkauf mitzubringen hatte ich mir zwar schon vor einigen Jahren angewöhnt, aber sehr viel weiter war ich noch nicht gekommen. Ich fing an darauf zu achten, in welchen Verpackungen Obst und Gemüse verkauft wurde und versuchte, nur noch so zu kaufen, dass man kein Plastik und wenn möglich auch kein Papier mit nach Hause nahm. Der Wunsch nach weniger (Plastik)Müll erstreckte sich dann langsam auch auf andere Bereiche in meinem Leben, sei es Bad, Küche oder Hygieneprodukte. Welche Schritte ich so unternommen habe um weniger Müll zu produzieren und ich was ich dabei gelernt habe, möchte ich heute mit euch teilen.

Vorweg muss aber auch gesagt werden, dass ich von dem Ideal des „Müll-im-Glas-sammeln“ noch meilenweit entfernt bin. Die Leute, die das so konsequent schaffen sind meiner Meinung nach wirklich bewundernswert, ich bin aber (noch?) nicht so weit. Zudem muss man auch ganz klar sagen, dass ein komplett müllfreier Lebensstil für viele Menschen einfach nicht 100% umsetzbar ist. Entweder weil das Geld fehlt. Auch wenn gerne gesagt wird, dass Bio/Fair Fashion/Unverpackt nicht viel teurer ist, in vielen Bereichen ist es leider doch so, dass der Discounter oder die bekannte Modekette die Dinge, die man zum Leben eben auch benötigt um einiges günstiger anbietet. Da ich die letzten sechs Jahre als chronisch pleite Studentin unterwegs war und jeden Cent den ich verdient habe, fürs Reisen angespart habe, war ein komplett nachhaltiger Lebensstil in bestimmten Dingen einfach nicht drin. Oder aber weil man an einem Ort lebt, in dem weit und breit kein Unverpackt Laden ist und man auch so selten Dinge zum selber abfüllen findet (habe die ganze Stadt nach Nüssen abgesucht, nix gefunden).

Dennoch, auch mit knappen Budget und/oder örtlichen Beschränkungen, kann man zumindest einige Schritte in die richtige Richtung unternehmen. Und wenn man die Mittel und die Ressourcen hat, ist es natürlich super, wenn man sie auch nutzt bzw. sinnstiftend einsetzt.

Der „Zero Waste“ Lebensstil erstreckt sich auf so ziemlich alle Bereiche im Leben und damit der Beitrag nicht zu lang wird und sich verzettelt geht es heute erstmal um den Aspekt Müll reduzieren beim Lebensmitteleinkauf.IMG_4319

Wie ich beim Einkaufen mehr Lebensmittel und weniger Müll mit nach Hause nehme:

Obst und Gemüse kaufe ich inzwischen fast ausschließlich unverpackt. In bestimmten Dingen stößt man manchmal zwar an seine Grenzen (Salat oder Grünkohl werden beispielsweise gerne in Plastik gesteckt), grundsätzlich ist aber Obst und Gemüse das einfachste bei den Lebensmitteln, was man, ohne großartig Müll zu produzieren, einkaufen kann. Am allereinfachsten geht das natürlich auf dem Markt, weil man da auch noch die ganzen Plastikettiketten spart. Wären wir wieder bei meinem Monolog vom Anfang, jede Woche auf den Markt zu gehen sprengt oft mein Budget. Aber auch im Supermarkt bekommt man das Meiste ohne nervigen Plastik oder auch Papiertüten. Vor einiger Zeit habe ich mir Stoffbeutelchen aus altem Stoffresten genäht und benutze diese inzwischen für so Dinge wie Pilze, Tomaten, Kartoffeln etc.. Dinge, die einem auf dem Markt gerne auch mal in Tüten verpackt werden, kann ich so im Stoffbeutelchen nach Hause nehmen.

Bei Milchprodukten wird das Ganze schon sehr viel schwieriger. Ich mag keine Milch, sodass die bei mir sowieso selten ins Haus kommt. Wenn ich welche zum Backen benötige, kaufe ich sie inzwischen im Glas. Joghurt ebenso. Bleibt der Ganze Rest. Parmesan, Feta oder Schnittkäse bekommt man auf dem Markt oder bei der Käsetheke zwar teilweise auch in mitgebrachte Behälter gelegt, für Dinge wie Mozzarella, Creme Fraiche, Sahne, Quark, etc. gibt es meiner Meinung nach keine Alternativen außer selber machen oder Verzicht. Auch so Sachen wie Tomatensoße, Kichererbsen, Mais, etc. bekommt man meistens nur in Konserven oder im Tetrapak. Teilweise gibt es das zwar auch im Glas, allerdings leider nicht überall.

Fleisch gibt es bei uns ja nicht, Fisch äußerst selten und ab und an mal Tofu, den ich aber leider auch nur in Plastik finden kann.

In meiner Stadt gibt es leider keinen Unverpackt Laden, sodass ich Dinge wie Getreide, Nudeln, Reis, Mehl, etc. im Supermarkt kaufe. Wenn ich zufälligerweise in Städten bin, in denen es solche Läden gibt nehme ich mir vorher gerne ein paar Beutel und Behälter mit und fülle mir was ab, aber einmal die Woche nach Hamburg zu fahren nur um im Unverpackt Laden einzukaufen ist jetzt auch nicht so sonderlich nachhaltig.

Brot backe ich meistens selber (ich weiß, ich bin ein Streber). Letztens habe ich mir aber beim Bäcker direkt mein Brot in meinen Beutel geben lassen und dadurch direkt eine Diskussion über Müll, Nachhaltigkeit und Umweltverschmutzung angestoßen.

Öl abfüllen ist zwar möglich, aber leider viel zu teuer für uns. Balsamico und Essig ist da schon günstiger, sodass wir uns inzwischen bei Vom Fass Balsamico Essig abfüllen.

Da ich selten Essen gehe oder mir Essen bestelle, fällt vieles was dort an Müll anfällt bei mir weg. Mein Freund trinkt viel Kaffee, den er sich, wenn er ihn to-go braucht, in seinen Bambusbecher abfüllen lässt.

Wasser trinke ich seit ich alleine lebe aus der Leitung (Ihr erinnert euch – chronisch pleite Studentenkasse und das einzige Transportmittel ein Fahrrad, da werden keine Wasserkästen nach Hause geschleppt). Seit Weihnachten kann ich diese schöne Flasche (bzw. das Vorgängermodel) mein eigen nennen, so dass ich nie wieder Plastikflaschen für unterwegs kaufen muss.

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Was ich durch den Verzicht auf Plastik gelernt habe

A) Nähen! Meine Näherfahrung belief sich bis vor kurzem auf ein Kissen, das ich vor 10 Jahren mal zusammengeschustert habe, aber grundsätzlich ging ich immer davon aus, dass mein Nähtalent inexistent ist. Tja, offensichtlich ist es doch nicht so schwer wie ich gedacht habe. Immerhin habe ich es geschafft, ein paar Beutel aus alten Stoffresten zu produzieren mit denen ich und inzwischen auch meine Mama fleißig auf den Markt tigern. Wo wir gleich zu einem allgemeinen Punkt kommen, den ein nachhaltiger Lebensstil mit sich bringt: man wird kreativer und weiß sich selber zu helfen. Sachen zu reparieren statt sie neu zu kaufen ist ein großer Aspekt der Nachhaltigkeit und meine neu gewonnen Näh-Skills konnte ich direkt in meine Leggins stecken, die seit Ewigkeiten mit einem Loch im Schrank lag.

B) Seinen Müllverbrauch zu reduzieren kann gleichzeitig befriedigend und furchtbar frustrierend sein.

  • Befriedigend, weil man Resultate ziemlich schnell sieht. Allein das man weniger oft den Müll rausbringen muss, ist wahrscheinlich für jeden ein Gewinn. Befriedigend auch, weil man ein bisschen in die Minimalismus Schiene rutscht und sich nur noch mit den Dingen umgibt, die man wirklich auch braucht. Das reduziert die Auswahl an Gedöns, der sich gerne mal in Küche und Bad sammelt, doch erheblich.
  • Frustrierend, weil die eigenen Bemühungen sich oft anfühlen, wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Braucht man noch eine viertelsttunde länger beim Einkauf, weil man überall nach nachhaltigen oder unverpackten Alternativen sucht, sieht man dann, wenn man an der Kasse steht, die schieren Mengen an Plastik und Verpackung der sich bei den Personen vor und hinter einem auf dem Kassenband oder im Wagen türmt. Frustrierend auch, weil man ständig aufmerksam sein muss und viele Leute drei Mal darauf aufmerksam machen muss, das man bitte keine Tüte braucht. Ich kann das gut verstehen, dieser Automatismus steckt in vielen von uns drin, dass man automatisch nach der Plastiktüte greift um die Tomaten abzuwiegen. Aber es macht den Marktbesuch doch ein wenig anstrengend, wenn man ständig doppelt aufpassen und darauf hinweisen muss, das man wirklich keine Tüte, nein, auch keine Papiertüte, das geht schon so, nein wirklich, ich packe das in meinen Beutel…ich denke, ihr wisst wovon ich spreche. Frustrierend auch, weil man oft an seine Grenzen stößt. Für einige Sachen gibt es eben keine geeigneten Alternativen, sei es weil die Industrie das nicht her gibt oder weil man einfach an einem Ort lebt, wo Alternativen nicht präsent sind. Da ich jemand bin, der gerne von jetzt auf gleich und am besten übermorgen Dinge verändern möchte, muss ich manchmal auch einfach aufpassen, dass ich mich nicht selber zu sehr unter Druck setze und mich mit dem zufrieden geben, was ich im Rahmen meiner Möglichkeiten tun kann.

C) Man kommt viel mehr mit Menschen in Kontakt. Sei es, weil man den armen Marktverkäufer beinah anschreien muss, weil er die wiederholten „Wir brauchen keine Tüte“-Rufe nicht gehört hat. Oder sei es, weil man einfach ins Gespräch kommt, wenn man seinen Beutel rüber reicht oder sich die Dinge direkt in mitgebrachte Behälter geben lässt. Wir hatten eigentlich durchgängig positive Reaktionen auf unsere Bitten, den Käse/den Kaffee/den Fisch bitte direkt in den Behälter geben zu lassen. Oft ergeben sich dann interessante Gespräche, in denen man sich meistens schnell einig wird, dass der (Plastik)Müllverbrauch schon fast lächerliche Ausmaße einnimmt. Ob man dadurch vielleicht den einen oder anderen auch zum Nachdenken anregt? Ich weiß es natürlich nicht, finde die Vorstellung aber schön.

Insgesamt hat die gesamte „Zero Waste“ Thematik mein Leben wirklich nachhaltig verändert. Ich bin sehr viel sensibler für die Plastik- und Müllproblematik geworden und versuche, im Rahmen meiner Möglichkeiten meinen Beitrag zu leisten, um das Problem wenn auch nur ein klein wenig zu verringern. Dabei stößt man immer wieder an seine Grenzen und steht schnell vor dem Problem, seine eigenen Erwartungen nicht erfüllen zu können. Deswegen denke ich, dass das wichtigste an der Thematik ist, mit offenen Augen und Aufgeschlossenheit, aber auch mit Realismus und Pragmatismus an die Sache heranzugehen. Wenn jeder auch nur einen kleinen Teil dazu beiträgt, dass nicht mehr so viel Müll produziert wird, ist schon viel getan. In Gewissen Dingen muss man aber die Realität vor jeden Idealismus stellen und einsehen, dass ein 100% nachhaltiger, ethischer und fairer Lebensstil in unserer Gesellschaft (leider) nicht möglich ist. Solange wir versuchen, die Prozentzahl stetig zu erhöhen, sind wir immerhin auf dem richtigen Weg.

PS: Heute mal nur Handyfotos. Ich hatte überlegt, das ganze asthätisch kunstvoll fotographisch in Szene zu setzen. Dann dachte ich mir aber, so wahnsinnig authentisch ist das auch nicht. Deswegen, Bilder vom Besuch vom Markt, Besuch vom Unverpackt Laden und meine selbstgenähten Meisterwerke.

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One thought on “Wer ist eigentlich dieser „Zero Waste“?

  1. Hi Ineke,

    ich finds gut, wie du zero-waste durchziehst! Ich bemühe mich auch -mindestens seitdem ich alleine wohne- um weniger Plastiktüten, indem ich immer mit Stoffeinkaufstüten unterwegs bin und nehme auch eher unverpacktes Gemüse als solches, das in Plastik eingeschweißt ist. Aber das wars dann auch, für mehr fehlte mir bisher die Motivation.
    Das „Ich brauche wirklich, WIRKLICH keine Tüte“ ist mir aus meinem Jahr in Marokko noch stark in Erinnerung, denn dort wurde alles doppelt und dreifach eingetütet, egal ob die Kund_innen protestierten. Doch bei meinem letzten Besuch hatte sich alles geändert: die dünnen Plastiktüten waren einfach verboten worden und die Tragetüten mit ein paar Dirham nicht mehr kostenlos. Es ist unglaublich, wie viel weniger Müll allein durch dieses Gesetz produziert wird…

    Liebe Grüße!
    Jana

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